Während viele Frauen milde Stimmungsschwankungen während ihres Zyklus erleben, schwanken die Gefühle bei manche deutlich extremer: Dabei wechseln kreative, hochenergetische und motivierte Phasen zyklusabhängig mit starken Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Nervosität und Überforderung. Dahinter könnte eine PMDS stecken – eine genetisch bedingte Sensibilität gegenüber Hormonen – oder etwas ganz Anderes: Eine unerkannte ADHS.
ADHS – kreative Entrepreneure statt Zappelphillips
ADHS wird oft als Trend-Diagnose für Zappelphillips fehlinterpretiert. Tatsächlich handelt es sich um eine veränderte Reiz-Verarbeitung, die genetisch bedingt ist und ein Leben lang bestehen bleibt. Bis zu 4,5 % aller Erwachsenen in Deutschland hat ADHS oder ADS (ohne die hyperaktive Komponente) – oft unerkannt.
Wichtig dabei: ADHS oder ADS ist nicht per se eine Krankheit. Menschen mit ADHS sind sehr oft hochintelligent, kreativ, extrem gute Entrepreneure und Innovatoren. Wenn sie sich für etwas interessieren, können sie sich “hyperfokussieren” und in kürzester Zeit extrem viel Wissen aufsaugen.(1)
(1)´Selbstwertwahrnehmung bei ADHS Erwachsener´, Heiner Lachenmeier, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, Swiss Archives of Neurology and Psychiatry 2014;165(2):47–53
Hauptrolle bei ADHS: Dopamin & Noradrenalin
Die Besonderheit bei ADHS liegt im Dopaminsystem. Bei Menschen mit ADHS kommt es zu einem schnelleren Abbau von Dopamin (2). Durch den Dopaminmangel wird das Zusammenspiel von Aufmerksamkeit und Motivationssystem gestört. Negative Symptome können je nach Typus Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, (innere) Unruhe und/oder Impulsivität sein.
(2) Neurobiologie der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, Klaus-Henning Krause, Stefan Dresel und Johanna Krause, psycho 26 (2000) 199-208
AD(H)S – abhängig vom Hormonzyklus
ADHS Symptome sind abhängig von der Verfügbarkeit von Dopamin. Die Dopaminproduktion wiederum ist abhängig vom Hormonsystem. Bei Frauen haben sowohl die Hormone Östrogen, Progesteron und Testosteron Einfluss auf das Dopaminsystem. Blöd nur, dass genau diese Hormone während des weiblichen Zyklus extrem schwanken! Östrogen beispielsweise fällt zweimal im Monat stark ab: direkt nach dem Eisprung und am Zyklusende, vor der Periode. Frauen mit ADHS oder ADS können deswegen besonders dann starke Symptome erleben – weil dann weniger Dopamin ausgeschüttet wird als sonst, und das wird auch noch schneller abgebaut als bei anderen Frauen. Nicht nur in fruchtbaren Lebensphasen ist das relevant, sondern auch in Wechseljahren und Menopause – wo die Östrogenproduktion komplett absinkt, was bei vielen Frauen mit ADS & ADHS zu verstärkten Symptomen führt (gerne mal misinterpretiert als frühe Demenzerscheinungen.)
ADHS als unerkannte Ursache für PMS-Symptome
Besonders bei Frauen bleibt ADHS oft bis ins Erwachsenenalter unerkannt, da ihre Symptome selten dem Stereotyp des hyperaktiven, lauten Schuljungen entsprechen. Dabei könnte gerade bei Frauen mit starken PMS-Symptomen eigentlich eine ADHS dahinter stecken, die erst durch die Zyklusschwankungen deutlich wird. Wenn sich also kreative, motivierte Phasen abwechseln mit (starken) Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Nervosität und Überforderung oder Impulsivität, könnte es sich lohnen, mal einen genaueren Blick auf AD(H)S zu werfen.
Erste Anhaltspunkte kann ein Selbsttest für ADS/ADHS bei Erwachsenen geben (s. Link am Artikelende).
Behandlungsansätze Bei ADHS und PMS /Menopause
Auch wenn klar ist, dass weibliche Hormone einen besonderen Effekt auf ADHS-Symptome haben, ist die Studienlage zur genauen Bedeutung für Diagnose und medikamentöse Behandlung bei Frauen (3) noch dünn. Einige Ansätze gibt es jedoch: So gleichen viele Frauen mit ADHS ihre Medikation an den Zyklus an, und erhöhen die Dosis zum Zyklusende. Auch die Einnahme leichter angstlösender Mittel wird als hilfreich beschrieben. Eine weitere Lösung kann die Unterdrückung des Zyklus sein. Empfohlen wird laut ADHS-Forscherin Patricia O. Quinn, M.D. die Gabe von 3 Wochen reinem Östrogen und einer Woche reinem Progesteron (4) – übrigens auch so eine klinisch effektive Behandlung bei starker PMS. Die Einnahme von künstlichen Hormonen ist ein bisschen mit Vorsicht zu genießen, da diese nicht unbedingt dieselben neuroprotektiven Effekte haben wie das naturidentische Hormon.
Bei Frauen in den Wechseljahren zeigt sich eine Verbesserung der Symptome ebenfalls unter einer Östrogen-Ersatztherapie.
(3) The female side of pharmacotherapy for ADHD—A systematic literature review, PLoS One. 2020; 15(9): e0239257.
(4) Women, Hormones, and ADHD, By Laura Flynn McCarthy Medically reviewed by Michele Novotni, Ph.D. Updated on January 19, 2021
Andere Ursachen für PMS-Symptome
Da unsere Geschlechtshormone Einfluss auf viele Botenstoffe haben, gibt es natürlich auch noch andere Grunderkrankungen, die durch den Zyklus verstärkt werden und zu PMS-Symptomen führen können, z.B. eine Histaminintoleranz oder eine Schilddrüsenunterfunktion. Eine weitere Ursache für starke PMS kann auch eine PMDS sein – eine prämenstruelle dypshorische Störung. Bei Frauen mit PMDS liegt eine genetisch veränderte Reaktion des Nervensystems auf Geschlechtshormone und deren Schwankungen vor.
Übrigens: PMDS und AD(H)S können auch zusammen auftreten – und das nicht gerade selten. Die genauen Zusammenhänge werden aktuell erforscht.
Ach ja: Oktober ist ADHS Awareness Monat! Teile diesen Artikel, um für mehr Aufklärung rund um ADS / ADHS und PMS zu sorgen!
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