Woher kommt PMDS?
PMDS Ursachen
Woher kommen extreme Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Depressionen vor der Periode?
PMDS ist vererbbar. Das zeigen Studien mit Familien und eineiigen Zwillingen. Das bedeutet, dass es biologische Ursachen für die Erkrankung geben muss. Stark vereinfacht kann man sagen, dass das Gehirn anders funktioniert und deswegen stärker als normal auf Sexualhormone und Hormonschwankungen reagiert. Vor allem das Nervensystem wird bei PMDS verstärkt in „Alarm“ versetzt. Dadurch kommt es zu teilweise unkontrollierbaren Gefühlen wie Wut, Trauer oder Angst.
Aktuell wird intensiv an den Ursachen von PMDS geforscht. Man hofft, dass man dadurch eine bessere Behandlung für Betroffene finden kann. Denn bisher existierende Behandlungen setzen nur an den Symptomen an, nicht an den Ursachen.
Bisher geht man bei den Ursachen für PMDS von 5 verschiedenen Faktoren aus, die miteinander verwoben sind:
Dazu gehören:
1. Genetisch bedingte Überempfindlichkeit auf Sexualhormone
2. Funktionale und strukturelle Veränderungen im Gehirn
3. Veränderte Reaktion des GABA-Rezeptors auf Allopregnanolone
4. Veränderter Einfluss von Östrogen auf Serotonin und BDNF
5. Veränderte Stress- und Entzündungsreaktion im Körper
Genetisch bedingte Überempfindlichkeit auf Sexualhormone
In 2017 fanden Forscher des National Institute of Health (NIH) heraus, dass Frauen mit PMDS sensibler auf Schwankungen der Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron reagieren. Die Ergebnisse zeigten, dass der Grund dafür ein molekularer Mechanismus in den Genen sein könnte. Forscher verglichen weisse Blutkörperchen bei Frauen mit und ohne PMDS. Frauen mit PMDS zeigten Unterschiede in den Genen, die für die Verarbeitung von Geschlechtshormonen verantwortlich sind.
Funktionale und strukturelle Veränderungen im Gehirn
Studien weisen darauf hin, dass bei Betroffenen mit PMDS die Gehirnstrukturen anders aufgebaut sind. Zudem werden bestimmte Hirnregionen anders aktiviert – vor allem die Amygdala und der prefrontale Kortex, die für emotionale Reaktionen verantwortlich sind. Die Studie zeigte auch einen direkten Zusammenhang zwischen der Verarbeitung negativer Reize und dem Progesteronspiegel der Studienteilnehmer.
(Quelle)
Veränderte Reaktion des GABA-Rezeptors auf Progesteron bzw. Allopregnanolone
Viele Studien gehen davon aus, dass Progesteron und Allopregnanolon – ein wichtiges Stoffwechselprodukt (Metabolit) von Progesteron, eine große Rolle bei PMDS spielen. ALLO bindet an den GABA-Rezeptor im Gehirn und hat dort normalerweise einen beruhigenden, entspannenden Effekt. Bei einigen Betroffenen lösen bestimmte Level von ALLO jedoch genau das Gegenteil aus, und verursachten Unruhe, Angstzustände, Reizbarkeit und negative Stimmungen.
Es gibt auch Studien, in denen bei Frauen mit sehr schweren PMDS-Symptomen weniger ALLO vorhanden war als bei denen mit nicht so schweren Symptomen. Eine weitere Studie zeigte, dass bei Frauen mit PMDS die biochemische Antwort auf steigende ALLO-Level geringer war als bei einer Kontrollgruppe ohne PMDS. Bei diesen Betroffenen liegt möglicherweise eine Toleranz gegenüber ALLO vor – das heisst der beruhigende und emotionsregulierende Effekt wirkt einfach nicht mehr genug. 8,9
Übrigens: ALLO entsteht aus Progesteron. Auch bei Frauen ohne PMDD kann ein Progesteronmangel für zu wenig ALLO sorgen, weshalb sie ebenfalls an PMS mit Reizbarkeit oder Stimmungsschwankungen leiden können. Da am Ende des Zyklus der Progesteronspiegel bei allen Frauen stark abfällt, um die Periodenblutung auszulösen, sind milde “Entzugserscheinungen” von ALLO relativ häufig – aber Welten entfernt von PMDS-Symptomen.
(Quellen)
Veränderter Einfluss von Östrogen auf Serotonin und BDNF
Östrogen & depressive Verstimmungen
Östrogen beeinflusst verschiedene Botenstoffsysteme in unserem Körper, die Stimmung, Schlaf, Gedanken, und Essverhalten regulieren. Gerade diese sind bei PMDD oft gestört. Studien deuten darauf hin, dass Östrogen einen besonderen Einfluss auf Serotonin hat – unser “Wohlfühlhormon”, das angstlösend, entspannend und glücklichmachend wirkt. Der genaue Mechanismus konnte noch nicht geklärt werden, aber eine Studie zeigte, dass eine Behandlung mit Östrogen die Aufnahme von Serotonin unterstützt. Eine gleichzeitige Behandlung mit Progesteron konnte die Aufnahme noch verbessern. Die gestörte Verarbeitung von Geschlechtshormonen wie sie bei PMDS-Patient:innen auftritt, könnte also auch die Serotonin-Aufnahme beeinflussen.
Serotoninmangel bei PMDS
Serotonin scheint bei PMDS in jedem Fall eine wichtige Rolle zu spielen, weswegen Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI / Antidepressiva) oft eine gute Wirkung bei PMDS zeigen. Antidepressiva wirken bei Frauen mit PMDS in der Regel deutlich schneller als bei anderen depressiven Störungen, oft sogar innerhalb weniger Tage. Die SSRI scheinen dabei nicht nur einen Einfluss auf Serotonin zu haben, sondern auch zusätzliche Wirkmechanismen, die bei PMDS helfen können: Es wird vermutet, dass SSRI für die Bildung von mehr ALLO sorgen oder die Sensibilität des GABA-Rezeptors gegenüber ALLO erhöhen.
BNDF Level und PMDS
BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor) ist ein Neurotransmitter, der mit Östrogen verbunden ist und wahrscheinlich auch eine Rolle bei PMDS spielt. BNDF ist wichtig für die Bildung von Nervenzellen, es ist aktiv in den Hirnbereichen die für Lernen und Erinnerung zuständig sind und trägt auch zur Regulationsfähigkeit bei. BNDF Level werden durch Östrogen beeinflusst, sie schwanken mit dem Zyklus und sie werden auch durch serotonerge Antidepressiva (SSRI) erhöht.
Veränderte Stress- und Entzündungsreaktion im Körper
Stress & Hormone
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, auch HPA-Achse (engl. Hypothalamic-Pituitary-Adrenal axis) oder Stressachse genannt, ist ein Hauptteil jenes Hormonsystems, das Reaktionen auf Stress kontrolliert und viele Prozesse im Körper reguliert; einschließlich Verdauung, Immunsystem, Stimmung, Gefühle, Sexualität, Energiespeicherung und -verwendung. Es ist möglich, dass die HPA bei Patienten mit PMDS für eine veränderte Stressantwort sorgt. Klar ist, dass die Stressreaktion und die Hormonverarbeitung eng zusammenhängen, und so auch ein Faktor bei PMDS sein können.
Mehr Entzündungen vor der Periode
Ein weiterer wichtiger Forschungsbereich für die Ursachen von PMDS sind Entzündungsprozesse. Während der lutealen Phase steigen auch Entzündungsmarker an. Bei Frauen mit Entzündungskrankheiten wie Reizdarm oder Gingivitis werden die Symptome in der zweiten Zyklushälfte oft schlimmer. Eine Studie wies bei Frauen mit PMDS eine größere Menge an Entzündungsmarkern als in der Kontrollgruppe.
Histamine und PMDS
Histamine sind wichtige Botenstoffe, die unter anderem die Immunreaktion des Körpers steuern. So sind Histamine hauptverantwortlich bei Allergien. Sie haben aber auch Auswirkungen auf das Nervensystem. Zu viele Histamine können Entzündungen, aber auch psychische Symptome wie Nervosität oder Depressionen hervorrufen. Die Produktion von Histaminen wird unter anderem durch den Zyklus beeinflusst: Kurz vor dem Eisprung und vor der Periode sind die Histaminwerte höher – also genau dann, wenn auch PMDS-Symptome auftreten. Es gibt noch keine (veröffentlichten) klinischen Studien zum Thema PMDS & Histamine, aber viele PMDS-Betroffene berichten eine deutliche Besserung durch die Einnahme von Antihistaminika – handelsüblichen Allergie-Mitteln.
(Zum Thema Histamine und Antihistaminika bei PMDS gibt es demnächst einen eigenen Artikel.)
PMDS und Trauma
Einige Studien zeigte einen Zusammenhang zwischen Trauma und PMDS.
Eine Studie mit 3,968 Frauen fand heraus, dass bei einer traumatische Vergangenheit und PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) oft auch eine PMDS vorlag. Eine andere Studie mit etwa 3000 Frauen zeigte eine starke Korrelation zwischen Missbrauchserfahrungen und PMDS.
Es gibt zwei Erklärungen für den engen Zusammenhang zwischen Trauma und PMDS:
- Traumatische Erfahrungen und andauernder Stress hinterlassen Spuren im Nervensystem. Wenn man von Klein auf lernt, immer in “Alarmbereitschaft” zu sein, ist man sensibler für viele Reize, und vieles wird im Gehirn anders verknüpft. Das könnte auch die Reaktion des Nervensystems auf Hormonschwankungen verändern.
- Man vermutet, dass Menschen mit Veranlagung zu PMDS auf biologischer Ebene anfälliger für Stress und posttraumatische Störungen sind. So zeigen Frauen mit PMDS eine höhere Hypervigilanz – einen stärkeren “Schreck-Reflex”. Eine Studie wies darauf hin, dass die Produktion von zu wenig ALLO bei PMDS-Betroffenen zu einer stärkeren “Alarm-” und Stress-Antwort im Nervensystem führt, wenn negative Trigger auftreten.